Wien, 19. Juni 2019 - Österreichs Wirtschaft ist zu 9,7% zirkulär. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie von „Circle Economy“ im Auftrag der Altstoff Recycling Austria (ARA), bei der zum ersten Mal weltweit für eine nationale Volkswirtschaft der so genannte „Circularity Gap“ berechnet wurde - die „Lücke“ in der Kreislaufwirtschaft. Um diese sukzessive zu schließen, fordert die ARA einen Ausstieg aus fossilen Energieträgern, Design for Recycling auch für Gebäude und langlebige Produkte, den Ausbau von Recycling sowie Forschung und internationale Technologiepartnerschaften mit den „CO2-Importländern“ .
„Wir haben mehr erwartet“, bringt ARA-Vorstand Christoph Scharff im Rahmen der Studienpräsentation
in Wien das Ergebnis auf den Punkt. Zum Vergleich: Die Weltwirtschaft ist zu 9,1 % zirkular. Dieses
Ergebnis wurde 2018 beim Weltwirtschaftsforum in Davos von der holländischen Plattform Circle Economy
der Öffentlichkeit präsentiert. Allerdings, so Scharff, gelte es, für Österreich die richtigen
Schlüsse zu ziehen: „Eine Volkswirtschaft, die - direkt oder indirekt, das heißt über importierte Waren -
stark auf fossile Energieträger setzt, kann nicht zirkular sein. Eine wachsende Volkswirtschaft, die Güter
akkumuliert, die erst in Jahren zurück in den Kreislauf kommen, kann ebenfalls nicht zirkular sein.
Und eine stark importierende Volkswirtschaft, die den Fußabdruck der Importgüter mittragen muss,
kann auch nicht zirkular sein.“
Mit einer Recyclingquote von 58 % des Siedlungsabfall liegt Österreich im EU Spitzenfeld. Betrachtet
man allerdings den gesamten Ressourcenverbrauch aus Metallen, Mineralstoffen, Biomasse und fossilen
Energieträgern von 424 Mio. t, sinkt dieser Wert auf 9,7 %. Würde man Österreich isoliert betrachten,
lägen wir bei immerhin 10,7 %. 55 % des Ressourcenverbrauchs Österreichs entstehen durch Importe
jenseits der Landesgrenzen. Die größten Verbraucher sind Mobilität einschließlich der Verkehrsinfrastruktur
und Konsumgüter mit zusammen rd. 46 %.
„Kreislaufwirtschaft ist eine umwelt- und rohstoffpolitische Priorität der Europäischen Union und ein
wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz. Wir wollen mit dieser Studie die Kreislaufwirtschaft messbar
machen. Nur so kommen wir zu den richtigen Prioritäten und können den Fortschritt messen,“ erläutert
Christoph Scharff die Motivation der ARA. Mit dem Ausstieg aus fossilen Energieträgern, forciertem
Recycling, der Wiederverwendung von Bauten und Baustoffen bei Infrastruktur-Erhaltungsmaßnahmen
sowie einer deutlichen Verbesserung des Recyclings in den Herkunftsländern ließe sich die
Zirkularität der heimischen Volkswirtschaft auf über 37 % vervierfachen.
Weltweit erste Berechnung für nationale Volkswirtschaft
Der „Circularity Gap Report – Austria“ liefert auf wissenschaftlicher Grundlage die erste
Quantifizierung der Kreislaufwirtschaft in Österreich nach den wesentlichen Rohstoffkategorien und
zeigt eine Abschätzung nach Anwendungsfeldern von Ernährung über Wohnen bis Mobilität. „Die
erstmalige Berechnung einer nationalen Ökonomie weist gegenüber der globalen Berechnung
erhebliche methodische Herausforderungen auf. Die Erde ist ein geschlossenes System. Für Österreich
waren hingegen Importe und Exporte zu berücksichtigen.“, erklärt Marc de Wit, führender
Studienautor von Circle Economy, die Berechnungsmethode. „Bei unserem Ansatz haben wir den
Verbrauch stärker gewichtet. Bei bloßer Betrachtung der Produktion könnten wir nur berücksichtigen,
was in einem System produziert wird oder als fertiges Produkt eingeht. Wir aber haben den
ökologischen Fußabdruck eines Produkts entlang der gesamten Wertschöpfungskette betrachtet und
demnach auch die bei importierten Gütern aufgebrachten Ressourcen außerhalb der österreichischen
Staatsgrenzen miteinbezogen. Nur so kann der gesamte Inlandsverbrauch korrekt und aussagekräftig
in die Berechnung integriert werden .“
Zeit um gemeinsam zu handeln
„Kreislaufwirtschaft ist weit mehr als Recycling und Siedlungsabfall: Ressourceneffizienz, Sicherung
der industriellen und agrarischen Rohstoffbasis, Lebenszyklusbetrachtung von Produkten und
Prozessen und letztlich auch Beschäftigung und Kollaboration. Österreich war stets führend in der
Abfallwirtschaft und im Recycling. Wir haben uns daher gefragt: Wo steht Österreich in der
Kreislaufwirtschaft und wir können wir unsere Zirkularität steigern? Dazu war es notwendig, Begriffe
und Bezugsrahmen wie Rohstoffe, Biomasse oder Energieträger zu klären und die Bedeutung
gesellschaftlicher Bedarfsfelder wie Wohnen, Essen, Mobilität oder Gesundheit für den
Ressourcenverbrauch abzuschätzen. Daraus lassen sich Perspektiven entwickeln und Schwerpunkte
setzen. Im Kontext des EU Kreislaufwirtschaftpakets schafft dieser Report die Basis für eine
evidenzbasierte Kreislaufwirtschaftspolitik in Österreich. Wir haben sie messbar gemacht und erste
Fakten präsentiert. Jetzt gilt es zu handeln“, unterstreicht Scharff.
Harald Friedl, Geschäftsführer von Circle Economy, hebt die Notwendigkeit einer gemeinsamen
Vorgehensweise hervor: „Was es jetzt braucht, ist eine starke nationale Koalition bestehend aus
Politik, Industrie, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in Österreich und internationale Kooperation. Der
Circularity Gap Report Austria zeigt klar, dass Kreislaufwirtschaft in einer globalisierten Wirtschaft nur
durch Fortschritte in der produzierenden und exportierenden Volkswirtschaften möglich ist. Der
vorliegende Bericht im Auftrag der ARA lässt nun konkretes Handeln zu und das Ziel ist dabei klar: Die
‚Circularity Gap‘ soll weiter geschlossen werden. Das geht nur, wenn alle Stakeholder an einem Strang
ziehen.“
Weitere Informationen und den vollständigen Bericht finden Sie unter folgenden Links: